Der promovierte Biologe Dr. Andre Baumann war auf Einladung des Umweltvereins Sonnenernte zur einer Vogelstimmenwanderung auf der Ketscher Rheininsel unterwegs. Günther Martin, Vorsitzender des Vereins, begrüßte Baumann auf der Rheinbrücke und danke ihm, dass dieser bereit war, sein Wissen als Biologe, Naturschutzexperte und Ornithologe an die Anwesenden weiterzugeben. „Wir wissen, dass Andre Baumann auch Landtagsabgeordneter ist“, sagte Martin, „aber die Veranstaltung hat keine politischen Themen, sondern ist eine Veranstaltung, die uns die Schönheit der Ketscher Rheininsel etwas näherbringen wird.“

Mönchsgrasmücke, Kuckuck, Ringeltaube, Kohlmeise, Blaumeise, Singdrossel, Specht, Zaunkönig, Zilzalp – alle Vögel sind schon da „und singen morgens alle gemeinsam“, erklärt der promovierte Biologe, Naturschutzexperte und Ornithologe Dr. Andre Baumann MdL. Mit einer Gruppe von vogelkundlich Interessierten ist er an diesem frühen Morgen auf der Ketscher Rheininsel unterwegs. Begrüßt hat die Anwesenden der Vorsitzende des Ketscher Umweltvereins Sonnenernte Günther Martin. Der Einladung gefolgt sind unter anderem auch die grüne Gemeinderätin Birgit Ackermann sowie Nikolaus Eberhardt, Sprecher des Ortsverbands der Grünen Ketsch und Experte für die Ketscher Rheininsel. Die Rheininsel ist ein einmaliges Schutzgebiet für selten gewordene und geschützte Tier- und Pflanzenarten. Das Naturschutzgebiet gehört zum wertvollen europäischen Naturerbe Natura 2000.

„Nachts singen die Vögel nicht“, fährt Baumann fort. „Am nächsten Morgen ist der Gesangsimpuls in ihnen angestaut, dann müssen sie aus voller Kehle singen und können nicht anders. Und dann singen sie alle auf einmal und ganz viel, weil sie die ganze Nacht nicht singen konnten.“ Gesang und Rufe dienten den Vögeln zur Kommunikation, etwa in der Balzzeit zur Anlockung eines passenden Weibchens und zur Revierverteidigung, so Baumann. Einer der ersten Vögel, den die Gruppe an diesem Tag zu hören bekommt, macht seinem royalen Namen alle Ehre: „Der Zaunkönig ist einer der kleinsten Vögel, die wir haben: Er ist etwa zehn Zentimeter groß und wiegt unter zwölf Gramm. Aber dieser klitzekleine Vogel singt so laut und schmetternd, dass man kaum einen anderen Vogel hört, wenn er in der Nähe ist“, erklärt der Ornithologe.

Klimawandel: Die Mönchsgrasmücke profitiert, der Kuckuck verliert

„Ein bei uns recht häufiger und für Auenwälder wie die Hartholzhauen auf der Ketscher Rheininsel typischer Vogel ist die Mönchsgrasmücke.“ Das Erscheinungsbild der hauptsächlich graugefiederten Tiere unterscheidet sich nach Geschlecht: Das Männchen hat eine schwarze, das Weibchen eine rotbraune Kappe. Diese Färbung soll an die Kopfbedeckung der Mönche erinnern – so kommt der kleine Singvogel zu seinen Namen. „Ich finde, die Mönchsgrasmücke hat einen sehr schönen Gesang“, so Baumann, „im ersten Gesangsteil etwas gepresst, aber am Ende flötet sie sehr schön, ein bisschen amselartig.“

Die Mönchsgrasmücke sei ein Zugvogel, an dem sich eine interessante Auswirkung des Klimawandels beobachten lasse. „Normalerweise zieht die Mönchsgrasmücke im Winter nach Südeuropa oder Nordafrika. Aber mittlerweile gibt es einen immer größer werdenden Teil der Population, der stattdessen in den Norden, bis nach Großbritannien zieht“, erklärt Baumann. „Die durch die Erderwärmung milderen Winter in Europa sowie die vogelverrückten Briten, von denen sehr viele die Tiere in ihren Gärten füttern, ermöglichen den Mönchsgrasmücken dort das Überleben. Und sie sind ihren in den Süden ziehenden Artgenossen gegenüber im Vorteil, wenn sie wieder in Deutschland ankommen: Sie sind wohlgenährt und weniger strapaziert, weil sie teils eine kürzere Reisestrecke hinter sich haben.“ Aber nicht alle Vogelarten passten sich an den Klimawandel an. Ein Verlierer des Klimawandels sei beispielsweise der Kuckuck, den die Gruppe aus den Schilfgebieten der Rheininsel hört. „Der Kuckuck kommt immer zum selben Zeitpunkt aus den Überwinterungsgebieten. Aber durch den Klimawandel brüten die Wirtsvögel des Kuckucks früher, und das Kuckucksei wird entdeckt.“

Der Mittelspecht ist der Charaktervogel der Ketscher Rheininsel

„Kücks-kücks“, macht es in der Ferne. „Das ist der Ruf des Mittelspechts, vielleicht der Charaktervogel der Ketscher Rheininsel“, erklärt Baumann begeistert. „Diese Spechtart braucht sehr alte Eichen mit einer dicken Eichenborke, unter der sie ihre Nahrung sucht. Fehlen alte Buchen oder fehlen alte Eichen in Wäldern, dann fehlt der Mittelspecht. Darum sind Mittelspechte selten geworden in Deutschland.“ Die Hartholzauenwälder mit den urigen Eichen der Ketscher Rheininsel seien ein idealer Lebensraum für Mittelspechte und viele andere Tierarten, die existenziell auf alte Eichen angewiesen sind. Baumann: „Darum ist es wichtig, dass sowohl viele alte Eichen in den Wäldern vorhanden sind, als auch für einen guten Eichennachwuchs gesorgt wird. Klimaschutz und die Förderung alter Wälder sind für eine lebendige Vogelwelt sehr wichtig.“

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